3 Tage Münster: Bericht von der Bundesdelegiertenkonferenz 2016

Unser Delegierter Tobias berichtet vom GRÜNEN Parteitag in Münster. Er beschreibt, was er bemerkenswert fand, welche Reden ihn beeindruckt haben und welche inhaltlichen Beschlüsse der BDK er besonders wichtig findet.

22.11.16 –

Bericht von Tobias Dondelinger

 

Ich war zum ersten Mal als Delegierter auf einer BDK. Und weil ich mich immer gefragt habe, was da eigentlich passiert, habe ich dazu einen recht ausführlichen Bericht verfasst. Ich habe ihn in zwei Teile aufgeteilt, weil ich denke, einige von Euch interessieren sich eher für die Inhalte, die da diskutiert wurden und für die Stimmung dort, während sich einige andere eher dafür interessieren, wie so eine BDK überhaupt abläuft und was da passiert. Diesen Teil findet Ihr hier, den inhaltlichen Part könnt Ihr unten lesen.

Stimmung und Besonderheiten: Was ich bemerkenswert fand

Ich habe festgestellt, dass es schon einen ganzschönen Unterschied macht, ob man selbst auf so einer BDK war, oder sie nur über die Medien und das Netz wahrnimmt. Vieles fühlt sich wenn man drin steckt ganz anders an, als es dann berichtet wird.

Irgendwie eine große Familie

Ganz grundsätzlich ist es schonmal ein echt gutes Gefühl, mit super vielen Leuten zusammenzusein, mit denen man in weiten Teilen einer Meinung ist. Ich meine im Detail kann das natürlich schonmal ganzschön auseinandergehen (mir ist auch aufgefallen, dass ich ziemlich oft geklatscht habe, wenn meine Nachbar*innen den Kopf geschüttelt haben und umgekehrt), aber wir sind uns doch in unserer Grundidee von dem, wie unsere Gesellschaft, unser Land und unsere Welt in Zukunft aussehen sollen sehr einig. Nur die Ideen, wie man dahin kommt, die sind manchmal sehr unterschiedlich. Ich habe mich unter all den fremden Leuten doch ganzschön zuhause gefühlt und das gibt einem das gute Gefühl, dass die Partei in der man ist genau die richtige ist.

Ich finde es spannend, dass alle alle alle Leute, die bei den Grünen irgendwie wichtig sind, da vor Ort sind und man sich einen Eindruck von ihnen als echte Leute machen kann. Ich meine ich bin kein promigeiler Mensch oder Groupie oder so, aber ich finde es trotzdem spannend, mal zu sehen, wie die Leute in echt sind und auch, wer sich gut mit wem versteht. Wenn ich auf Promis stehen würde, hätte ich mir wahrscheinlich auch jeden für ein Selfie oder einen kurzen Smalltalk schnappen können. Aber irgendwie hat es mir gelangt, unsere Offenbacher Promis entsprechend in Anspruch zu nehmen.

Die Macht der Rhetorik

Ich fand es extrem abgefahren, wie wichtig es am Ende die Reden sind und wie empfänglich die ganze Versammlung am Ende für Rhetorik und all das sind. Ich muss zugeben, ich fand das echt beeindruckend und bin mitgegangen, als Claudia Roth oder Jürgen Trittin den Saal gerockt haben. Auch Cem hat das bei der Ankündigung von Zetsche nicht schlecht gemacht. Dem kann man sich nur schwer entziehen. Das alles hat nichts mit der Qualität des Arguments und der inhaltlichen Fundiertheit des gesagten zu tun. Das alles ist am Ende eine Technik, mit der man Leute auch ohne Argumente für etwas begeistern kann. Eine ziemlich ambivalente Angelegenheit.

Was passiert und was wahrgenommen wird

Einmal war ich baff. Da hält Toni Hofreiter eine gute und fundierte Rede zur Verkehrswende (der kennt sich ja aus damit) und die Medien stehen rundgeschart und Schlange beim Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Ich meine, was soll das denn: Da wird nicht das betrachtet, über das unsere Partei diskutiert, sondern es wird derjenige rausgesucht, der die wildesten Positionen vertritt und die meisten innerparteiischen Konflikte schürt, in der Hoffnung, dass man ihn genau mit so einer wilden Position oder einem konfliktschürendem Spruch im Bild hat.

Da wundert es nicht, wenn große Medien solchen Quatsch schreiben, wie dass wir 7 Stunden über Steuern debattiert hätten. Totaler Unfug! Wir haben über die soziale Frage und über Gerechtigkeit debattiert und Steuern gehören eben dazu und hatten auch ihren Platz. Aber es war ein angemessener Anteil, nicht mehr, nicht weniger. Ich finde es verrückt, wie eine große und fundierte Debatte so ungemein reduziert wird auf einen Aspekt.

 

Inhalte Was wichtig war

Wie gesagt, es wurde über vieles debattiert und es wurde viel Beschlossen. Wenn ich Euch das alles berichten wollte, dann würde ich noch ganzschön viele Zeilen füllen. Deshalb will ich mal versuchen, Euch meine persönlichen Highlights in der Debatte näher zu bringen und Schlaglichter auf die Entscheidungen zu werfen, die ich wichtig fand.

Die Highlights der Debatte

Gleich zu Beginn gab es eine fantastische Rede von Bastian Hermisson, dem Leiter der Böll-Stiftung in Washington. Die Rede befasst sich zentral mit dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA, zieht daraus aber auch jede Menge unbequeme Lehren für unsere Partei und unsere Arbeit hier in Deutschland. Analytisch scharf und unsere und US-amerikanische gesellschaftliche Realität sehr gut erfassend: https://www.youtube.com/watch?v=7MuIwpFzxis 

Beeindruckt hat mich auch diese Rede von Claudia, einfach weil sie so deutlich und eindringlich ihre Argumente für einen Antrag zur Situation in Syrien und dem Irak rüberbrachte: https://www.youtube.com/watch?v=I0TSU2Vg83g

Naja, wenn schon so viel über dieses Steuerthema gesprochen und geschrieben wurde, will ich Euch die beste Rede zu dem Thema nicht vorenthalten. Ich will Euch aber auch nicht vorenthalten, dass das das beste Beispiel für politische Rhetorik ist, das es auf der BDK zu hören gab: https://www.youtube.com/watch?v=nsqu-bd_sTY

Am letzten Tag gab es noch das wichtige Thema Religion und Gesellschaft. Ich muss gestehen, das hat mich, obwohl ich weiß, dass es wichtig ist, nur begrenzt interessiert. Aber die Gastrede von Heiner Bielefeldt, die mir auch ein Stück weit geholfen hat, die Relevanz des Themas und seine Reichweite für mich zu verstehen: https://www.youtube.com/watch?v=DhiWbxjrwDk

Und natürlich gab es am letzten Tag noch die vieldiskutierte Gastrede von Dieter Zetsche. Nach Protesten hatte der Bundes Vorstand schonmal als Gegengewicht Jürgen Rech von der Deutschen Umwelthilfe eingeladen. Ganz ehrlich: Ich kann nicht verstehen, wie man den zum Thema Verkehrswende nicht einladen kann. Eine hammer-Rede, aber seht selbst: https://www.youtube.com/watch?v=MCL-S7jKtYo
Aber auch den großen Schnurrbart will ich Euch nicht vorenthalten. Und weil es wohl Cems Baby war und er unbedingt wollte, dass das gut wird, fiel die „Vorstellung“ des Gasts durch Cem deutlich länger aus und war eher ein Einschwören auf Jürgen Zetsche. Die Gastrede selbst war dann eher eine unspektakuläre Produktwerbung. Also soviel Aufstand muss man darum nicht machen, auch wenn die Rede inhaltlich nicht geeignet war, unsere Entscheidungs- oder Meinungsbildung weiterzubringen. Einziges Highlight: Zetsches Aussage, Daimler habe keine Lobby-Maschine. Wer alles (einschließlich relativ gehetzter Diskussionsrunde im Anschluss) sehen will: https://www.youtube.com/watch?v=Cy1b4EaQC_4

 

Beschlüsse, die ich besonders wichtig finde

Aber es wurde natürlich nicht nur geredet, sondern es wurden auch wichtige Beschlüsse gefasst. Alles was wir auf der BDK beschlossen haben findet Ihr hier: https://www.gruene.de/ueber-uns/beschluesse-der-bundesdelegiertenkonferenz.html

Der Leitantrag zum Thema Soziales war insgesamt wohl der Antrag, zu dem es am meisten Änderungsvorschläge und Debatten gab. Neben der Geschichte mit den Steuer, wo wir im Ergebnis einen moderat-linken Kompromiss hatten, der nicht zu detailverliebt ist und kein mögliches Instrument ausschließt, mit dem wir die nötige Umverteilungsleistung für eine gerechtere Gesellschaft erreichen können, gab es dort weitere wegweisende Entscheidungen.
So finde ich es sehr gut und wichtig, dass wir die langjährige Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings (nicht die Ehe soll subventioniert werden, sondern Kinder unterstützt) erneut stellen. Dabei stellen wir aber nicht Leute schlechter, die Ihre Lebensplanung auf Basis des Ehegattensplittings gemacht haben. Das wäre passiert, wenn wir gefordert hätten, das Ehegattensplitting auch für bestehende Ehen abzuschaffen (was in Änderungsanträgen gefordert wurde), wir wollen das aber nunmehr nur für neu zu schließende Ehen erreichen.
Geradezu wegweisend (und ich muss ehrlich zugeben, ich hätte nicht geglaubt, dass das beschlossen wird) ist die Forderung nach Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV. Damit zeigen sich die Grünen lernfähig und bereit, Fehler rückgängig zu machen, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Der entsprechende Absatz war ein heiß umstrittener Änderungsantrag, der mit sehr knappem Ergebnis beschlossen wurde. Ich gebe zu, ich hab mich hier auch schwer getan zu positionieren, weil beide Seiten gute Argumente ins Feld geführt haben.

Ebenfalls sehr spannend fand ich die Debatte zum Thema Verkehrs- und Energiewende. Auch hier haben wir einen sehr guten Antrag beschlossen, der eine unserer Grünen Kernkompetenzen betont und ganz deutlich zeigt, warum wir als Partei in unserem Parteiensystem unersetzlich sind. Keine andere relevante Partei traut sich, so zielorientiert und gleichzeitig radikal die Maßnahmen zu fordern, die nötig sind, um die Klimaerhitzung zu stoppen. Gleichzeitig ist unser Programm in diesem Feld das einzige, das in die Zukunft gerichtet und tragfähig ist. Trotzdem gab es auch hier spannende inhaltliche Auseinandersetzungen, die sich kurz zusammengefasst daran entzündeten, wie man das Ziel erreichen kann, die Klimaerhitzung auf zwei Grad zu begrenzen. Die eine grundsätzliche Position tendierte dazu, den von der Wissenschaft vorgegebenen Schritten zur Begrenzung der Erhitzung eins zu eins zu folgen, was sehr sehr schwer umsetzbar sein wird. Die Position versuchte zwar ehrgeizige Ziele zu setzen, die umsetzbar scheinen, dafür aber die Grenze nicht ganz einhalten, die die Wissenschaft in den jeweiligen Felder für das 2 Grad Ziel vorgibt. Hier gab es Abstimmungen zu den Bereichen Verbrennungsmotoren bei PKW und Kohleausstieg. Während sich bei den Verbrennungsmotoren die eher kompromissbereite Position durchsetzte, gewannen beim Kohleausstieg die Vertreter der „reinen Lehre“ mit der Forderung, bis 2025 aus der Kohlekraft auszusteigen. Aus dieser Debatte klingt mir noch ein rhetorisch feiner Satz im Ohr: „Mit der Klimaerhitzung kann man keinen Koalitionsvertrag aushandeln und mit dem steigenden Meeresspiegel keinen Kompromiss schließen.“ Ein großes Dilemma in wenige Worte gefasst.

Ich glaube für den Überblick sollte dieser Bericht ausreichen. Wenn Ihr noch weitere Fragen zur BDK habt, könnt Ihr mir auch gerne eine Mail schreiben, ich kann Euch dann im Detail Auskunft geben: tobias.dondelinger@remove-this.gruene-offenbach.de

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