Wie eine BDK läuft: Bericht eines Neudelegierten

Ich bin ja zum ersten Mal als Delegierter (und überhaupt) auf eine Bundesdelegiertenkonferenz oder kurz BDK, also den Parteitag der Grünen gefahren. Und ganz ehrlich, ich habe mich auch um den Posten als Delegierter beworben, weil ich einfach mal wissen wollte, wie das so ist. Damit Ihr vielleicht auch einen kleinen Eindruck bekommt, wie eine BDK so ist, will ich einen kleinen Bericht schreiben. In diesem Teil des Berichts will ich Euch beschreiben, was man so als Delegierter auf der BDK macht.

Delegierter sein auf einer BDK: 3-Tage-wach (fast)

Ganz kurz nochmal, was die BDK bzw. der Parteitag jetzt eigentlich genau ist: Das ist quasi das Herzstück und der Motor unserer demokratisch verfassten Partei. Da wird beschlossen, was wir wollen und was nicht, wie unser Programm aussieht, wer unsere Parteichef*innen sind und was die Regeln, nach denen wir miteinander (und manchmal auch gegeneinander) arbeiten. Die BDK ist das wichtigste Beschlussgremium der Grünen. Stimmrecht haben Delegierte aus allen Grünen Kreisverbänden Deutschlands, insgesamt sind das über 800 Leute. Je nach Anteil der eigenen Mitglieder im Verhältnis zur Gesamtmitgliedschaft hat jeder KV mindestens einen Delegierten. Wir Offenbacher haben einen, aber bis zum zweiten fehlen uns nur noch eine (oder zwei) handvoll Mitglieder (also legt Euch mal ins Zeug). Und dieser eine Delegierte bin ich jetzt zum ersten Mal und entscheide damit im Namen von allen Mitgliedern des KV Offenbach (was garnicht so einfach ist, weil ja auch hier die Meinungen mitunter auseinandergehen).

Ankommen und sich zurechtfinden

Auf der Einladung zur BDK war die Anfangszeit mit Freitag, 11.11., 16 Uhr angegeben. Weil ich aber neu im Delegierten-business bin und mir zwar einiges hatte erzählen lassen, aber bei weitem noch nicht alles wusste, dachte ich, gehe ich mal zum Neu-Delegierten-Treffen, das für 15 Uhr anberaumt war. Weil ich aber vorher noch kurz im Hotel einchecken wollte – es gibt auf BDKen immer ein „Hessen-Hotel“ in dem die allermeisten hessischen Delegierten und sonstige hessischen Teilnehmer  untergebracht (ist doch herrlich, wenn man sich Abends auf dem Nachhauseweg ein Taxi teilen kann und Morgens beim Frühstück schon mit bekannten Gesichtern über Politik diskutieren) sind – hatte ich mir einen Zug gebucht, der um etwa halb zwei da sein sollte. Hat alles nicht so ganz hingehauen, so dass ich am Ende doch ein bisschen spät beim Neumitgliedertreffen war. War aber nicht tragisch, weil alles was da so erzählt wurde, auch irgendwo nachzulesen bzw. mit einem Minimalmaß von Nachdenken selbst zu erschließen war. Aber besser sorum als anders rum.

Danach erstmal Plätze suchen: Die Delegierten sitzen nach Bundesländern verteilt und dann sind auch pro KV die Plätze zugeordnet. Ich hatte doppelt Glück: Hessen saß recht komfortabel vorne rechts nahe der Bühne, so dass man viel vom Geschehen mitbekam. Gleichzeitig saß ich in der letzten Reihe vor nem Flur zwischen netten Nachbar*innen aus dem Landkreis Offenbach und dem Schwalm-Eder-Kreis. Nette Nachbar*innen sind wichtig, weil es ziemlich kuschelig eng war und die letzte Reihe gibt einem ne relativ einfache Möglichkeit wegzukommen, ohne über 12 Leute zu klettern. Naja, aber ein bisschen Glück muss man ja auch haben…

Lange Tage, lange Debatten

Um vier ging es dann los mit der BDK und nach kurzer Debatte um die Geschäftsordnung: Manche wollten aus für mich nachvollziehbaren Gründen einen Top-Manager mit riesen-Schnurrbart ausladen, bzw. seinen Raum auf dem Parteitag beschneiden. Beides wurde aber abgelehnt und Herr Zetsche durfte sprechen und diskutieren (dazu später mehr). Dann ging es los mit der inhaltlichen Debatte. In dem Teil, in dem Redebeiträge zu den Themen der BDK kommen (es gibt immer geloste Redebeiträge, wo jedes Parteimitglied sich in eine Losbox einwerfen kann und die dann immer quotiert, jeweils Mann und Frau nacheinander abgearbeitet werden. Zwischendurch gibt es gesetzte Reden von Parteimitgliedern, die aufgrund ihrer Tätigkeit zu bestimmten Sachen besonders viel zu sagen haben (Abgeordnete, Minister, Vorsitzende etc.) und Gastreden von Leuten, die inhaltlich die Debatte bereichern können. In dieser Zeit muss man als Delegierter nicht dauernd am Platz sein, weil da nicht über etwas abgestimmt wird, sondern eben nur debattiert. Nur sind die Debattenbeiträge halt oft sehr spannend, so dass man dann gerne am Platz sein will. Oft umgekehrt ist es dann, wenn abgestimmt wird. Das zieht sich häufig in die Länge und interessanten Input gibt es nicht, aber man muss ja am Platz oder irgendwo in der Halle sein, sonst fällt die Stimme des KV unter den Tisch.

Achja, wenn Ihr Euch fragt, worüber und zu welchem Zweck abgestimmt wird: Es wird über Anträge, Änderungsanträge, Vorschläge und Anträge zur Geschäftsordnung etc. abgestimmt. Normalerweise gibt es zu jedem großen Themenblock einen Leitantrag des Bundesvorstands und dann oft noch einige Änderungsanträge von Leuten, die das eine oder das andere im Leitantrag anders sehen, die glauben, dass etwas wichtiges vergessen wurde oder die etwas wegstreichen möchten. Im Vorfeld der BDK versucht eine Antrags-Kommission möglichst viele der Änderungsanträge in die Hauptanträge zu integrieren, häufig in leicht abgeänderter Form. Sie müssen dann jeweils mit den Antragsstellern Formulierungen aushandeln, die für beide Seiten OK sind. Der Prozess läuft bis in die BDK hinein. Das heißt, es ist für Delegierte wenig sinnvoll, einen Antrag Wochen vor der BDK zu lesen und sich eine abschließende Meinung zu bilden, weil der Antrag irgendwie noch dauern im Fluss ist. Nur die Richtung wird sich natürlich nicht mehr komplett ändern. Am Ende werden dann nur noch die wenigen Änderungsanträge abgestimmt, für die es keinen Kompromiss zwischen beiden Seiten gab. Das Abstimmen der Änderungsanträge kann manchmal auch schon ganzschön lange dauern, weil es manchmal mehrere verschiedene Varianten zu einem Punkt gibt. Die müssen natürlich erstmal alle eingebracht werden, dann wird abgestimmt, wobei erstmal per „Meinungsbild“ die beiden Varianten gesucht werden, denen am meisten Delegierte zustimmen. Erstmal einfach per Karte heben. Wenn dann nicht klar ist, was die beiden Änderungsanträge mit der meisten Zustimmung sind, wird per Karte-heben und aufstehen geschaut, wenn es dann noch nicht klar ist, per schriftlicher Abstimmung. Und dann muss ja noch gezählt werden. Und wenn man dann so die beiden beliebtesten Varianten identifiziert hat, wird das selbe Spiel nochmal gespielt um abzustimmen, welche Version dann letztlich in den Antrag kommt. Das kann ganzschön dauern, die Abstimmung über den gesamten Antrag geht dann meistens schneller. Neben den jeweiligen Leitanträgen gibt es aber auch noch andere Anträge, die zum Thema passen, zu denen es auch Äderungsanträge geben kann und oft auch gibt und die auch noch abgestimmt werden. Das kann dann schonmal dauern…

Wenn es vorbei ist, ist es noch lange nicht zuende

Am Freitag dauerte es ungefähr bis 21:30 bis der letzte Redebeitrag gesprochen und der letzte Beschluss gefasst war. Aber damit war der Tag natürlich noch lange nicht zuende. Erstmal gab es noch Workshops, auf denen über verschiedene Entwürfe für Schlüsselprojekte für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl diskutiert wurde. Es war spannend zu sehen, wie breit die inhaltliche Spannweite unserer Partei ist. Über den Punkt Einwanderungsgesetz kann man zum Beispiel auch als Grüner von sehr unterschiedlichen Perspektiven diskutieren. Das dauerte so bis zwanzig vor elf und auch dann war der Tag noch nicht zuende. Ich zähle mich jetzt zwar nicht direkt zu einem Flügel, aber die sind in unserer Partei nunmal ein wichtiger Faktor. Und auf der BDK gibt es Freitagsabends Flügeltreffen. Ich wollte mir mal anschauen, was die da so machen und reden und wen man so sieht. Weil ich Schlips und Sakko daheim vergessen hatte, bin ich rein dresscodegesteuert zu den Linken. Habs da aber nicht so lange ausgehalten, weil ich echt müde und die Debatte mir dafür nicht spannend genug war. Im Großen und Ganzen wurde da über die Anträge gesprochen, die in den nächsten Tagen zur Debatte stehen sollten. Dort konnte dann, wer ein Eisen im Feuer hatte für seine Position werben. Es kam durchaus mal vor, dass da auch für konkurrierende Anträge geworben wurde. War gut, das mal gesehen und gehört zu haben. Aber noch besser, schon um halb eins ins Bett zu kommen, nachdem ich mir auf dem Heimweg was zu essen geschnappt hatte (hatte das den Tag über schwer vernachlässigt), vor allem weil der Tag am nächsten Tag wieder um 8 Uhr mit dem Hessentreffen losgehen sollte.

Spät ins Bett, dafür aber auch früh auf

Ist er dann auch. Das Hessentreffen ist so eine Art Koordinations- und Diskussionsrunde in der sich die hessischen Delegierten zusammenfinden. Im Endeffekt so ähnlich wie das Linkentreffen, halt nur, dass man da alles aus hessischer Perspektive betrachtet hat. Weltbewegende Diskussionen gab es da aber auch nicht. Um halb zehn ging es dann weiter. Inhaltlich spannend aber wie am Vortag mit dem Dilemma, dass man nur vom Platz wegwill, wenn man nicht kann. Das Urwahlforum, auf das ich mich gefreut hatte (hatte sogar ne Frage eingeworfen), ist dann leider ausgefallen, weil Robert Habeck zum Vogelgrippenotfall in sein Bundesland zurück musste. Schade, auf genau den hatte ich mich am meisten gefreut. Theoretisch wäre man damit mit dem Tagesprogramm etwas schneller durchgekommen, aber praktisch wurde die gewonnene Zeit halt genutzt, um einige Dinge etwas ausgiebiger zu diskutieren. Nichtsdestotrotz nahm ich mir halt mal die Zeit, ein bisschen rumzulaufen und mir die Ausstellung der Sponsoren anzugucken. Es gibt nämlich rund um die BDK sowas wie ne kleine Messe, wo alle möglichen Grünen Gliederungen, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Interessenverbände sich präsentieren (wofür sie was bezahlen, was dann zur Finanzierung der BDK genutzt wird). Naja, ich muss sagen, ich finde es ja etwas gewöhnungsbedürftig da Organisationen wie Gesamtmetall zu sehen, aber nunja, hatten gute Bretzel oder sowas. Insgesamt kann man da super Gimmicks, Süßkram und ähnliches abstauben (womit man das Portmonee etwas entlasten kann, weil die Bretzel und Wasser, die ich da erworben habe, hätten am Imbisstand wahrscheinlich zusammen 30 Euro oder so gekostet (Essen ist auf so ner BDK jetzt nicht supergünstig). Naja, der Samstag war jedenfalls Debattenmäßig so um 9 rum, glaub ich, allerdings war es auch dann wieder nicht vorbei. Es gibt dann nämlich noch ne Party und naja, weil mich alles interessiert, wollte ich mir auch das mal anschauen. War Ok, Stimmung gut, Musik erträglich, viele Leute tanzen, aber irgendwie bin ich damit nicht warm geworden. Vielleicht auch, weil ich als Delegierter aus Offenbach ganz allein war. Wenn wir jetzt zu zweit gewesen wären, dann wäre das bestimmt viel besser geworden (wir brauchen dafür nurnoch so acht Mitglieder, also strengt Euch mal an!). Jedenfalls hab ich mich nach einem Bier verbschiedet, noch was gegessen und war so deutlich vor zwölf im Hotel.

Die Heimfahrt will wohl durchdacht sein

Es gab ja auch noch einen Tag. Der Sonntag fing um 9 an und eigentlich hab ich da nichts Neues mehr gelernt, was die Strukturen angeht: Außer, dass bei uns der Protest, sogar der Grünen Jugend mittlerweile sehr „gesittet“ abläuft. Bei der Heimfahrt ist mir dann noch aufgefallen, dass es Sinn macht, sich genau zu überlegen, wann man welche Bahn nimmt. Weil tendenziell wollen da ungefähr 1000 Leute gleichtzeitig aus Münster weg und wenn die Stadt auch schön ist, so ist sie doch nicht der Nabel des deutschen Schienenfernverkehrs. Weil man nach drei BDK-Tagen wo man zwar sehr viel gesessen hat, die aber auch ganzschön anstrengend waren, nicht unbedingt Lust hat, eng gedrängt in irgendeinem ICE-Flur zu stehen, sollte man vorher ein paar Minuten das Oberstübchen bemühen. Ich hab mir das gut überlegt vorher und bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Habe von Münster bis Frankfurt gemütlich gesessen und war pünktlich zum Tatort wieder in Offenbach.

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