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21.12.12 –
"Es gilt das gesprochene Wort"
Sehr geehrte Frau Stadverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,
Offenbacher Schüler haben hauptsächlich aus zwei Gründen mit deutlich schlechteren Lernchancen zu leben als anderswo in Hessen und bundesweit:
An dem zweiten Punkt setzt der vorliegende Antrag an.
Es kann nicht sein, dass Offenbacher Schulen bei der Zuweisung von Lehrerstellen genauso behandelt werden, wie zum Beispiel Schulen im Hoch- und Vordertaunus.
Der Brief unserer Kultusministerin Nicola Beer vom 20.10.2012, den wir vorgestern in unsere Fächer gelegt bekamen, möchte den Eindruck erwecken, als würden wir hier in Offenbach ja schon mehr bekommen als uns zusteht. Ich halte das für Quatsch, denn der Brief enthält keine überzeugenden, sondern nur relativ bezugslose Zahlenangaben als „Belege“.
Es wird ja derzeit überall von einer 105%igen Lehrerversorgung gesprochen, am Montag im Ausschuss wurde uns für Offenbach jedoch die Zahl 101 % genannt. Aufgrund der hiesigen demographischen Entwicklung sind Offenbacher Klassen auch gerade in den Innenstadtschulen voller als im Rest des Landes.
Die Kultusministerin schreibt unserem Magistrat, ihr Ministerium sähe die Problematik und arbeite seit einiger Zeit an dem Instrument „Sozialindex“. Diese Arbeiten würden voraussichtlich im laufenden Schuljahr abgeschlossen sein, so dass ab dem Schuljahr 2013/14 mit einer stufenweisen Einführung begonnen werden KÖNNTE.
Meine Damen und Herren, glauben Sie noch an das Christkind?
Haben wir genug Zeit, dass wir auf das Christkind warten können?
Ich kenne den Alltag an Offenbacher Schulen und habe meine Ausbildung im schönen, beschaulichen Seligenstadt gemacht, wo es kaum Schüler mit schwachen Deutschkenntnissen gibt, weiß also wovon ich spreche:
In Hessen gibt es was Lernchancen betrifft aufgrund des fehlenden Sozialindexes ein deutliches Stadt(damit meine ich Ballungsraum)-Land-Gefälle. Wir sind etwa gleichauf mit den vorhin genannten Städten Gelsenkirchen oder Oberhausen.
Aufgrund des sehr hohen Anteils von Kindern aus bildungsfernen Familien, immer mehr verhaltensoriginellen Schülern und des außerordentlichen Bedarfs an Sprachförderung durch dafür ausgebildete Fachkräfte arbeiten Offenbacher LehrerInnen an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Das Risiko ausgebrannt zu werden, ist hier deutlich höher! Das kann so nicht bleiben.
Auch der von Fachleuten erstellte hessische Werkstattbericht zeigt durch seinen Sozialindex eine sehr ungleiche Verteilung von Bildungschancen, in der Offenbach am Ende der Skala zu finden ist, Städte im Taunus dagegen ganz oben.
Die Meldungen aus dem Oktober über das ziemlich schlechte Abschneiden hessischer Viertklässler beim Ländervergleich aller Bundesländer im Lesen, Zuhören, in der Rechtschreibung und im Rechnen befeuert meine Sorge. Wir müssen aus Offenbacher Sicht nun davon ausgehen, dass wir nicht nur hessen- sondern auch bundesweit vergleichsweise schlecht dastehen und unsere SchülerInnen und Schulen stark benachteiligt sind.
Bereits im Frühjahr habe ich im Ausschuss Kultur-Schule-Sport und in der Schulkommission nachgehakt, da im Bericht „Erziehung und Bildung in Offenbach“ 2011, anders als in den Vorjahren, keine Daten zu den Lernstandserhebungen in Grundschulen verwendet werden konnten. Das Land hatte sie nicht mehr zur Verfügung gestellt. Es heißt in dem Bericht, das Kultusministerium hätte bereits im April 2008 die Einführung eines Sozialindexes angekündigt, „mit dem die besondere Belastung einzelner Schulen ermittelt und als Konsequenz daraus zusätzliche Lehrer und Sozialpädagogen an diese Schulen geschickt werden sollen“.
Das ist jetzt 4 ½ Jahre her.
Passiert ist seitdem nichts.
Wir Grüne vermuten stark, dass die Landesregierung einen Verteilungskampf zwischen Schulämtern und Schulbezirken vermeiden will, schließlich wäre zu erwarten, dass Eltern beispielsweise im Hoch- und Vordertaunus nicht auf derzeit knapp vorhandene Lehrer und Ganztagsschulplätze verzichten möchten und protestieren werden. Wahrscheinlich wird von uns weniger Widerstand erwartet.
Aus Sicht der Offenbacher Grünen besteht beim Thema Sozialindex an Schulen dringender Handlungsbedarf auf Seiten der Hessischen Landesregierung, die ja für die Versorgung mit Lehrern zuständig ist.
[Staatsminister Grüttner geht zut Tür.] Schade, das Herr Grüttner jetzt gehen möchte.
Die Grüne Stadtverordnetenfraktion wünscht sich darum, dass alle Offenbacher Akteure wie auch der Stadtschulelternbeirat, die Schülervertretungen, der Ausländerbeirat, die Lehrergewerkschaften und die Interessengemeinschaft der Offenbacher Schulleitungen die im Orientierungsrahmen für Bildungsentwicklung benannte Forderung nach einem Sozialindex sehr nachdrücklich unterstützen und an die Landesregierung herantragen.
Ich begrüße außerordentlich das Engagement der Akteure im staatlichen Schulamt und im Schuldezernat, die dieses Anliegen ebenfalls vorantreiben.
Man muss sich in Wiesbaden Gedanken machen, wie man mehr und am besten noch die am besten ausgebildetsten LehrerInnen nach Offenbach bringt. Die hier Aktiven sollten durch Entlastungsstunden für die besonders hoch belasteten Klassenlehrer, zusätzliche Förderschullehrer, Sozialpädagogen und Psychologen entlastet oder falls nötig auch besondere finanzielle Anreize gesetzt bekommen.
Ich sehe hier auch einen engen Zusammenhang mit dem Thema Inklusion: In Offenbach gibt es einen großen Erziehungshilfebedarf, größer als anderswo. Er wird aber vergleichsweise wenig beantragt, weil die Stundenzahlen einen Tropfen auf den heißen Stein ausmachen und ihre Beantragung aufwändig ist. Klassen- und Schulleitungen sind oft zu überlastet, um Sinn im Verfassen dieser Anträge zu sehen. Dies wiederum verstärkt die Ungleichheit gegenüber „ruhigeren“ Regionen.
Ich wünsche mir, dass wir in dieser Sache überparteilich an einem Strang ziehen und einen Konsens in diesem Hause werden pflegen können, wie es auch bei anderen Bildungsthemen möglich ist.
Auch über die Zeit eines möglichen Regierungswechsels in Hessen hinweg,
Egal wie die nächste Wahl ausgeht, dieses Anliegen wird aus unterschiedlichen Gründen schwer durchzusetzen sein. Darum sollten wir hier dauerhaft und kraftvoll gemeinsam im Interesse unserer Kinder und ihrer Bildungschancen dafür eintreten.
Bitte stimmen Sie diesem Antrag zu.
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