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28.02.19 –
Rede zum Haushalt 2019 und zur Grundsteuererhöhung von Ursula Richter im Stadtparlament
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Parkplatz Bieberer Straße/Großer Biergrund – jetzt Spitzes Eck, Parkdeck Bahnhofstraße/Berliner Straße – jetzt Berliner 160, von uns vorher Pfütze genannt, Parkplatz Luisenstraße/Bahnhof Straße – jetzt Luiseneck, Parkplatz gegenüber Ledermuseum, Ehemalige Kaiser Friedrich-Quelle, Kappushöfe, Kolpinggelände, ehemaliges Arbeitsamt, MSO-Gelände – jetzt Goethequartier, Parkplatz hinter der Schillerschule, ehemaliges KWU-Gebäude, ehemaliger Hafen 2, und so weiter und so fort…
All dies sind ehemalige Baulücken und Brachen. In Offenbach wird gebaut und gebaut, sprich verdichtet, und wo es nur geht wird auch im letzten Hinterhof noch ein Wohngebäude hingesetzt.
In all diesen entstandenen Wohnungen leben nicht nur Singles, sondern Familien. All diese Neuoffenbacherinnen und Offenbacher brauchen Infrastruktur – nämlich nicht nur Straßen, sondern auch Kitas, Schulen, Ansprechpartner in der Verwaltung und, und, und…
Von 2014 bis 2018, das sind nur 4 Jahre, ist Offenbach um fast 10.000 Einwohner gewachsen.
Wir haben letztes Jahr den Schulentwicklungsplan erstellt und beschlossen. In diesem Plan wurde festgehalten, dass wir aufgrund der bereits geborenen Kinder in spätestens sechs Jahren mindestens eine neue Grundschule in der Innenstadt, eine neue Grundschule in Bieber-Nord und eine neue Grundschule in Bürgel brauchen. Die weiterführenden Schulen, besonders die Gymnasien, platzen aus allen Nähten – wir brauchen also auch ein neues Gymnasium.
Weil wir nicht mehr wissen wohin mit den Schülerinnen und Schülern, haben wir in der letzten Sitzung Klassenraummodule für die Grundschule Bieber-Nord, für die Ernst-Reuter-Schule und die Leibnizschule beschlossen, hinzu kommen heute Klassenraummodule für die Albert-Schweitzer-Schule.
All dies zeigt, wir brauchen neue Schulen und bereits bestehende Schulen müssen dringend erweitert werden. Und all dies bedeutet wir brauchen Einnahmen, um diese Aufgaben bewältigen zu können. Wir haben bereits Steigerungen bei der Einkommensteuer und bei der Gewerbesteuer, aber all dies reicht noch nicht aus. Wir brauchen mehr. Denn wir können nicht mehr einfach immer wieder neue Kredite aufnehmen und wir haben uns auch verpflichtet 1. keine neuen Schulden mehr zu machen und 2. ab 2022 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Wir sind dafür vom Land von circa 800 Millionen Euro Schulden befreit worden.
Das ist die Herausforderung vor der wir stehen.
Die hat mir durchaus schlaflose Nächte bereitet. Nach mehreren solcher Nächten bin ich schließlich zu dem Schluss gekommen, dass an der Erhöhung der Grundsteuer B kein Weg vorbeiführt und ich möchte Ihnen gerne sagen warum.
In den letzten drei Monaten haben wir „jeden Stein mehrfach umgedreht“ um die bestmögliche Lösung in dieser Situation hinzukriegen:
Wir haben sogar über eine Erhöhung der Gewerbesteuer diskutiert. Sie sehen es gab keine „Heilige Kuh“, die nicht zur Debatte stand. Aber nur 1/5 der Grundstücke werden gewerblich genutzt, dabei tragen sie 45 Prozent des Grundsteueranteils. Damit sind uns die Argumente ein Stück weit ausgegangen, um Unternehmen noch stärker einzubeziehen.
Wir haben diskutiert wie erwartbare Fördermittel einkalkuliert werden können und versucht die entsprechenden Minister anzuzapfen. Vielleicht nicht so öffentlichkeitswirksam wie andere, aber Sie können sicher sein, wir haben unsere Mandatsträger einbezogen.
Wir wissen, dass im Hessischen Koalitionsvertrag ein Programm KIP III - die sogenannten Kommunalen Investitionsprogramme - vereinbart wurden. Aber es gibt noch nicht einmal ein KIP-III-Gesetz, geschweige denn eine Zusage, so können wir nichts in den Haushalt schreiben. Doch wir werden auch weiterhin nichts unversucht lassen, diese Fördermittel zu erhalten.
Am Anfang haben wir gehofft, dass wir eine niedrigere Grundsteuer-Erhöhung hinbekommen oder, dass wir die Erhöhung zumindest zeitlich strecken können. Und ein Teil dieses Ziels haben wir auch erreicht, denn vor drei Monaten dachten wir noch, dass die Grundsteuer sogar um 500 Prozentpunkte angehoben werden muss. Im Dezember waren es dann nach genauerer Berechnung noch 450 Punkte mit der Hoffnung, dass 395 auch reichen könnten.
Nach einem Gespräch mit dem RP und der Frage, was passiert, wenn die Grundsteuer jetzt um 200 Punkte und 2022 um 145 Punkte erhöht werden würde und der Aussage des RP, sie würden dann 10 Millionen pro Jahr an zusätzlichen Mitteln genehmigen, wurden drei Listen erstellt.
Die erste Liste enthielt verpflichtende Investitionen: Was dringend gemacht werden muss, was dem Wachstum der Stadt geschuldet ist. Das war die Liste mit alleine drei neuen Grundschulen, einem Gymnasium, dem Jugendzentrum Lauterborn und dem Stickoxid-Luftreinhaltungsplan, NOx. Diese Liste allein kostet über 100 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren. Eine zweite Liste beinhaltete Angefangenes und Projekte mit vertraglichen Verpflichtungen und Zuschüssen. Diese Liste beinhaltete laufende Kita- und Schulsanierungen, die HEGISS-Programme, jegliche Anschaffungen für Schulen, die Stadtbücherei, aber auch den Hochwasserschutz. Eine weitere Summe von über 130 Millionen Euro, die wir realistisch auch nicht streichen können. Schon wenn wir uns diese beiden Listen mit 230 Millionen Euro ansehen, denke ich es grenzt an Wahnsinn, was wir in den kommenden Jahren leisten müssen, alleine mit den vier neuen Schulgebäuden. Von den dringend notwendigen Sanierungen an den bestehenden Schulen brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Eine Liste war aber noch übrig, die dritte Liste beinhaltete „Sonstiges“. Das sind Projekte im Wert von 15 Millionen Euro, die gestrichen werden können, weil wir zu diesen nicht verpflichtet sind. Will sagen: Unsere Investitionsliste enthält keine Spielwiesen mehr, da ist nichts mehr übrig. Aber auch wenn man sich diese Liste 3 anschaut, das sind beispielsweise Straßenbau, aber auch Sanierung und Erweiterungen von Schulen, oder die Erneuerungen von Sportanlagen. Ganz ehrlich: Bei einem Großteil dieser Projekte sehe ich nicht, dass wir sie wirklich streichen können, trotzdem haben wir manches davon verschoben. Aber auch die komplette Liste 3 „Sonstiges“, diese Einsparung von Projekten für 15 Millionen Euro hätten nicht ausgereicht um die Grundsteuererhöhung weiter zu senken und vor allem um das Regierungspräsidium zu überzeugen. Deswegen liebe SPD, bringen auch ein paar Flyer weniger oder eine abgespeckte Öffentlichkeitsarbeit leider nichts, sonst hätten wir die garantiert gestrichen. Das Regierungspräsidium wollte keine 1000 Euro hier und da erspart haben, sondern ein tragfähiges Gesamtkonzept für die nächsten Jahre.
Dennoch haben wir Stellen gestrichen und bei den Investitionen verschoben, was sich nur irgendwie schieben lässt um zum jetzigen Ergebnis zu kommen, obwohl auch das alles nur Tropfen auf den heißen Stein sind. Ich weiß nicht wie viele E-Mails und SMS geschrieben, Telefonate geführt, und Treffen stattgefunden haben. Die Berechnungen, Vorschläge und Papierstapel türmen sich in meinem Büro.
Letztendlich schafften wir es gerade so unter den 1000 Punkten zu bleiben und gleichzeitig weiterhin eine verantwortungsvolle Politik für die Offenbacher Bevölkerung zu gewährleisten.
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren,
unsere neue Dezernentin Sabine Groß ist noch nicht mal sechs Monate im Amt. Sabine, Du hast in den letzten Wochen wirklich nichts unversucht gelassen und kamst fast täglich mit einer neuen Idee um die Erhöhung der Grundsteuer irgendwie zu verschieben. Auch Dank Deines Engagements kann ich heute sagen: Wir haben alles versucht. Diese Erhöhung ist für uns bitter aber unausweichlich, wenn wir in den kommenden Jahren keine Schüler auf der Straße stehen lassen und Chancen für unsere Stadt nutzen wollen.
Es gibt keine gangbare Alternative ohne den Karren komplett gegen die Wand zu fahren – und dazu bin ich nicht bereit. Und ich möchte Ihnen darlegen für welche Investitionen diese Erhöhung wichtig und richtig ist.
Wir wissen, dass das Ergebnis in dieser Stadt nur schwer zu Tragen sein wird und für viele nicht verständlich ist. Dessen bin ich mir sehr bewusst, denn gerade meine Fraktion hat hart mit sich – und mit mir - gerungen. Menschen, die knapp über Hartz IV leben, trifft dies besonders. Menschen, für die die Kosten des Lebens in der Stadt ohnehin schon hart an der Belastungsgrenze liegen. Aber auch für diese Menschen sind die anstehenden Investitionen wichtig. Wir brauchen Schulen und Kitaplätze, die nicht am anderen Ende der Stadt liegen, sondern nahe am Wohnort, damit Eltern Beruf und Familie vereinbaren können.
Meine Damen und Herren,
Bei den Schulen sind wir uns wohl einig. Die müssen sein. Ach nee, doch nicht alle! Einige wollen gar nichts genehmigen, den Karren gegen die Wand fahren und andere wollen Hybrid-Schulen bauen, ein bisschen Schule und ein bisschen Wohnen und gleichzeitig die Schulen durch das Land bauen lassen. Liebe SPD, ihr müsst Euch schon entscheiden was ihr wollt. Oder ist es nicht so, dass ihr eigentlich genau wisst, dass die KOA recht hat, dass kein Weg an der Grundsteuererhöhung, auch in dieser Höhe, vorbei führt und habt ihr nicht deshalb eure jungen Wilden mit Anschuldigungen, Verunglimpfungen und populistischen Forderungen vorausgeschickt?
Zum Bus für die Fröbelschule nur eine Anmerkung. Wir unterstützen das Anliegen, aber die Fröbelschule hat darum gebeten, dass ihr Mittel ODER anderweitige Hilfe angeboten werden, damit sie einen Kleinbus bekommt. Wir schlagen daher vor erst mal zu schauen ob sich dafür anderweitig Förderungen auftreiben lassen und wollen die Schule dabei unterstützen. Uns ist auch nicht klar, wie sie zu dem Betrag von 40.000 Euro kommen – wir und auch der Förderverein der Fröbelschule haben große Zweifel, dass das ausreicht.
Bei unseren Investitionen geht es nicht um Kleinigkeiten oder Dinge, die niemand braucht. Unverzichtbar ist das JUZ im Lauterborn, das Charly-Stürz-Heim. Im September 2018, wurde bekannt, dass das Jugendzentrum im Lauterborn teilweise sofort geschlossen werden muss. Eine Sanierung ist nicht wirtschaftlich. Die Öffentlichkeit hat von den Problemen mit dem JUZ relativ wenig Notiz genommen. Wenn mich nicht alles täuscht, gab es genau einen einzigen Artikel zur Schließung des Jugendzentrums.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Offenbach in all seinen Stadtvierteln lebenswert ist und sich niemand abgehängt fühlt. Im Lauterborn passieren Katastrophen lautlos und ohne Aufschrei. Hier bemerken wir den Aufschrei anders, leiser, aber gleichzeitig schlimmer: Im Süden Offenbachs haben viele Menschen offenbar den Glauben verloren, dass Politik für sie da ist und ihnen hilft. Das zeigt sich meines Erachtens in der niedrigen Wahlbeteiligung. Und für mich zeigt es sich auch darin, dass gewisse Parteien dort viel zu viele Stimmen erhalten. Wir alle sollten eine These der Arrival City-Ausstellung beherzigen: Die schwierigsten Viertel brauchen die besten Schulen und die beste Ausstattung.
Und deswegen müssen wir ein Zeichen setzen und unsere eigenen Thesen beherzigen. Da darf es auch nicht passieren, dass die Hausaufgabenbetreuung der Mirjamgemeinde im Lauterborn dicht gemacht hat, unter anderem weil sich keine Räume dafür finden ließen. Fast 60 Kinder standen von heute auf morgen ohne die Hausaufgabenbetreuung da. Und auch in der Presse habe ich dazu nichts mitbekommen. Ganz ehrlich: keine Räumlichkeiten für die Hausaufgabenbetreuung von 60 Kindern?
Ich glaube ich muss niemanden erklären, dass Hausaufgabenbetreuung keine Spaßveranstaltung ist, sondern Kindern für ihre Zukunft hilft.
Deshalb freut es mich, dass es unserer Dezernentin Sabine Groß in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen gelungen ist, aus der drohenden Katastrophe eine Chance zu machen, von der auch die umliegenden Einrichtungen und Schulen und vielleicht auch die Hausaufgabenbetreuung profitieren werden. Wir sind froh, dass das Jugendzentrum neu gebaut wird. Das ist nichts, was sich Offenbach aus dem Ärmel schüttelt, dafür danke ich auch den beteiligten Dezernatskollegen sehr und hoffe auf eine breite Zustimmung des Parlaments für dieses Projekt. Wir denken auch, dass es dafür noch passende Förderprojekte geben wird, lieber Dominik Imeraj, es war aber noch zu früh. Wir konnten kein Konzept zum Fördern einreichen, denn das wird jetzt erst erstellt. Aber natürlich wird die Stadt Offenbach auch hier zukünftig jegliche Fördermittel nutzen.
Selbstverständlich haben wir in der Koalition abgewogen und sind durchgegangen, welche Projekte unverzichtbar sind und natürlich mussten wir auch Projekte verschieben oder streichen. Wie z.B. den Neubau der Laska-Brücke, den Umbau des Marktplatzes, die Sanierung des Maindamms, den Schiffsanleger Rumpenheim. Bei einem Thema, das uns Grünen am Herzen liegt, müssen wir Einschnitte hinnehmen, die uns ganz besonders schwer fallen. Wir haben unseren Antrag zum Thema Spielplatzsanierungen zurückgezogen und zwei Sanierungen vorerst verschoben. Die Spielplätze standen auch auf der Liste 3, von der ich eingangs sprach. Auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist um den Haushalt zu entlasten. Vor allem zollen wir damit der Personalsituation im Bauamt unseren Tribut. Denn auch hier wurden Stellen gestrichen. Es würde dem Amt übrigens wenig helfen einfach ein paar Umweltamts-Mitarbeiter „umzuwidmen“, wie die SPD vorschlägt – das sind doch fachlich völlig unterschiedliche Aufgaben! Wir setzen auch keine Altenpfleger als Kita-Erzieher ein, nur weil alle „irgendwas mit Menschen“ machen.
Aber an irgendeiner Stelle müssen wir das Amt auch entlasten. So bitter es ist, dass wir bei den Spielplatzsanierungen auch künftig nicht besser vorankommen werden. Zur Erinnerung: Zwischen 2012 und 2017 wurden in sechs Jahren gerade mal vier Spielplätze fertig, davon waren zwei Neuanlagen und zwei Sanierungen.
Meine Damen und Herren, Herr Stadtverordnetenvorsteher,
Dass sich die Verwaltung nach allen Seiten strecken muss, wird nicht nur beim Thema Spielplätze offensichtlich und zum Problem. Das Bauamt kann fast nur noch Investorenvorhaben abarbeiten. Doch eine Stadt, gerade eine dramatisch wachsende Stadt, sollte auch gestaltet werden – dafür braucht es Personal. Seit Jahren sind wir mehr und mehr Offenbacherinnen und Offenbacher geworden. Deswegen fanden wir es richtig, dass die Stadtverwaltung diese Entwicklung nun mit mehr Personal nachholt: das finden wir auch jetzt. Die Aufgaben werden nicht weniger sondern mehr und komplexer – trotz oder wegen der Digitalisierung gibt es überall neue und andere Bedarfe. Wir holen ein Stück nach, mit mehr Stellen z.B. bei der Feuerwehr, dem Bürgerbüro, im Bau- und im Sozialamt. Und bei vielen anderen Ämtern gibt es kleine Zuwächse von ein oder zwei Stellen, wie beim Gesundheitsamt, damit Kinder vor der Einschulung untersucht und etwaige Nachholbedarfe, z.B. was die Sprachkompetenz angeht, unverzüglich festgestellt und angegangen werden können. Eine wachsende Stadt braucht mehr Personal in der Verwaltung, darauf können wir nicht verzichten. Und natürlich gibt es auch neue Aufgaben, die wir bewältigen müssen. So wird eine halbe Stelle zur Extremismusprävention an Schulen geschaffen: das halten wir für ausgesprochen wichtig.
Besonders ins Auge stechen natürlich auch weiter die Stellen der Stadtpolizei. Wundern Sie sich: Warum finden denn die Grünen auf einmal mehr Sicherheit und Ordnung gut? Hier die Antwort: Weil es auch uns stinkt, wenn sonntags der Wilhelmsplatz rundum zugeparkt wird, Autos sich einfach auf dem Gehweg breit machen und Fußgänger auf die Straße ausweichen müssen, um an diesen vorbeizukommen. Oder wenn in der Frankfurter Straße Schaurennen stattfinden. Weil alle wissen, wann der Dienst der Stadtpolizei endet und im Offenbacher Straßenraum anscheinend keine Regeln mehr gelten. Auch wir wollen, dass Verkehrsteilnehmer sich an Regeln halten, auch sonntags!
Die Anzahl der Stellen bei der Stadtpolizei, wurde bei uns Grünen sehr kontrovers diskutiert. Wir können aber mit den zusätzlichen acht Stellen leben. Sie sind vorgesehen damit an allen Tagen, nämlich auch Sonn- und Feiertags 24 Stunden am Tag, also rund um die Uhr, Dienst geleistet werden kann.
Und wir wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Straßenverkehrsordnung auch nachts gilt und durchgesetzt wird. Wir finden, dass Sicherheit und Ordnung zu einer lebenswerten Stadt dazugehören und unsere Bürger darauf einen Anspruch haben.
Etwas, das uns übrigens besonders freut, ist, dass die Stadtpolizei demnächst auch stillstehende Rolltreppen zur S-Bahn sehr einfach und unkompliziert wieder in Gang setzen kann. Auch das hilft unserem Erscheinungsbild als Stadt und tut unserem öffentlichen Nahverkehr gut.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Verkehr und Mobilität ist ein wichtiges Thema, bei dem sich wirklich etwas ändern muss aus ganz verschiedenen Gründen: Klimaschutz und Luftreinhaltung sind Gesundheitsschutz. Es gibt zusätzliche Mittel von Bund und Land und der Druck etwas zu tun ist hoch, wir brauchen ein ganzes Maßnahmenbündel. Wir haben in Offenbach ein riesiges Potential, die Stadt ist flach und kompakt. Beste Voraussetzungen für eine perfekte Fahrradstadt. Und die Fahrräder brauchen wir um die Luft sauber zu bekommen und um die Lebensqualität zu verbessern. Deshalb müssen wir auch weiterhin den Radverkehr fördern, das ist eine der Schrauben, die wir stärker drehen müssen. Eine andere Schraube sind die 6 Millionen Euro für die Luftreinhaltung, den Masterplan Stickoxid NOx. Denn Fahrverbote für Bürger können nicht die Lösung sein für ein von der Industrie verursachtes Problem. Vor allem müssen wir die Gesundheit der Bürger schützen, die an den betroffenen Straßen wohnen. Das sind in der Regel Menschen, die sich ein Leben im Zentrum, aber fernab der Hauptverkehrsstraße nicht leisten können. Als Stadt müssen wir für saubere Luft tun, was uns möglich ist, auch das schulden wir unseren Einwohnern. Mit dem Masterplan NOx wird der Verkehr flüssiger, vermutlich auch langsamer, fließen.
Eine andere Stellschraube für saubere Luft und staufreien Verkehr liegt in unserem neuen Nahverkehrsplan. Vor einem Jahr gab es da große Befürchtungen, dass er uns viel Geld kosten wird. Wir steigern die Kilometerleistung um immerhin 40 Prozent. Zumindest 2019 wird dafür kein Cent aus dem städtischen Haushalt fließen, denn die aktuelle Fahrgastzählung ist zu unseren Gunsten ausgegangen. Ich bin guter Dinge, dass das so weitergehen wird, weil wir den öffentlichen Nahverkehr gestärkt haben und weiter stärken, da wir mit dem neuen Nahverkehrsplan ein attraktiveres und leistungsfähigeres Angebot bekommen. Ich bin überzeugt, dass wir 2017 die richtigen Weichen gestellt haben. Und ich bin zuversichtlich, dass der öffentliche Nahverkehr in Offenbach künftig von deutlich mehr Menschen genutzt wird. Dazu tragen sowohl das landesweit eingeführte Schülerticket, wie auch das geplante Seniorenticket bei. Es ist gut, wenn viele Menschen mit dem Bus statt mit dem Auto fahren. Das spart uns jede Menge Abgase in unserer Stadt. Noch besser ist es, wenn auch diese Busse die Luft nicht weiter verschmutzen. Deswegen ist es nicht bloß wichtig unsere Busse auf E-Mobilität umzustellen, auch wenn uns das anfänglich mehr kostet. In den kommenden Jahren werden mehr Busse unterwegs sein, wir müssen es hinkriegen, dass sie insgesamt weniger Schadstoffe ausstoßen. Wenn wir Mittel für saubere Busse einsetzen, dann schaffen wir damit einen angenehmen, leiseren und attraktiveren Nahverkehr, den Menschen gerne nutzen, mit dem es Spaß macht zu fahren. Sie sind aber auch zwingend, wenn wir keine Fahrverbote wollen. Wir werden unsere Busflotte zur Hälfte auf E-Mobilität umstellen und wir müssen uns diese E-Busse schlichtweg leisten um Fahrverbote zu verhindern. Es bereitet mir zwar keine schlaflosen Nächte, aber ärgert mich schon sehr, wenn sich jetzt manche auf E-Mobilität einschießen und unter anderem behaupten eine „stolze“ Flotte von Elektrobussen könne sich die Stadt kaum leisten. Wenn hier Fahrverbote kommen, weil wir nicht alles getan haben, dann möchte ich mal sehen wer dann worauf stolz sein wird und was dann in der Zeitung steht. Auch die Industrie fängt an umzudenken und – auch in Offenbach – in neue Technologien zu investieren.
Meine Damen und Herren,
der vergangene Sommer ist schon ein Weilchen her, aber manche erinnern sich vielleicht noch daran. Der Sommer hat gezeigt, dass wir uns auf den Klimawandel in der Stadt einstellen müssen. Es wird weiterhin trockene Hitzephasen geben und genauso wird es mehr Starkregenereignisse geben. Für all das müssen wir gewappnet sein und das wird uns auch in den kommenden Jahren Geld kosten. Für uns jedenfalls ist es keine Alternative so zu tun als gäbe es dieses Problem nicht und ich bin froh, dass sich mittlerweile viele junge Menschen jeden Freitag für ihre Zukunft auf dieser Welt einsetzen. Auch dafür ist es wichtig, dass wir Klimaschutz ernst nehmen. Und auch dafür ist es wichtig, dass wir die Verkehrswende in unserer Stadt vorantreiben.
Es stinkt mir, dass zur Haushaltskonsolidierung an erster Stelle immer der Klimaschutz hinten runter fallen soll. Ich kann es nicht mehr hören, dass Mehrkosten fürs Klima, für gute Luft und für energetische Aspekte als „grüne Spielwiesen“ und „unnötige Spinnereien“ abgetan werden, die schnell weggespart werden können. Wir wollen und müssen Politik für die Welt von morgen machen, für die Kinder und Jugendlichen, die in dieser Stadt leben wollen, für die jungen Menschen, die jeden Freitag demonstrieren gehen und um ihre Zukunft bangen. Denn ja: Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
wir Grünen sind die Umweltpartei. Das geht so weit, dass auch Projekte, mit denen wir eigentlich nichts direkt zu tun haben auf unser Konto gebucht werden: Ich habe neulich mit Interesse gehört die Mainauen seien ein „grünes“ Projekt. Die Mainauen sind in erster Linie eine Ausgleichsmaßnahme für den Umbau des Kaiserleis und die Eingriffe in die Natur und Bodenversiegelungen, die dort stattfinden. Wir finden das absolut sinnvoll und unterstützen das. Hier wird aber nur der gültigen Rechtslage für derartige Bauprojekte gefolgt. Dagegen nehmen wir jedoch Verschiebungen im Umweltbereich hin: Wünschenswerte bauliche Maßnahmen in Natur- und Landschaftsschutzgebieten im Wert einer halben Million Euro müssen wir schweren Herzens auf nach 2023 vertagen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben sicher wahrgenommen, dass die Koalition einige Begleitanträge zurückgezogen hat, weil wir angesichts der Lage keine zusätzlichen Ausgaben beschließen wollen. An einem halten wir jedoch fest. Wir haben zum Sommer 2018 die Wettaufwandssteuer eingeführt, auch um Wettbüros und die damit einhergehende Spielsucht zu bekämpfen, denn Wettbüros an jeder Ecke gehören für die meisten nicht unbedingt zur lebenswerten Stadt und sorgen nicht gerade für einen Image-Gewinn. Wir runden nun diese restriktive Maßnahme ab und wollen auch präventiv etwas gegen Spielsucht tun, dafür nutzen wir einen Teil dieser Mittel. Junge Offenbacher sind besonders gefährdet, was Spielsucht betrifft; Wetten und Sportwetten sind für viele etwas harmloses, sie können andere aber trotzdem in den Ruin treiben. Gerade Jüngere suchen selten Hilfe und Beratung, wie Zahlen des Suchthilfe-Zentrums Wildhof belegen. Nicht einmal 13 Prozent ihrer Klienten zu Glücksspiel und Sportwetten sind unter 25. In den Wettbüros sieht man oft junge Männer. Deshalb gehen wir davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer Betroffener gibt. Es ist wichtig aufsuchende Präventionsarbeit einzuführen. Wir beauftragen im ersten Schritt den Magistrat ein Konzept für diese Arbeit zu erstellen und uns zum Beschluss vorzulegen. Ich hoffe, dass Sie dieses Anliegen alle unterstützen. Zur Trägerschaft: Natürlich wissen wir, dass der Wildhof seit Jahren hervorragende Arbeit für Offenbach macht und hoffen, dass er sich auch für dieses Projekt interessieren und einbringen wird – wir wollen es ihm aber weder aufdrücken noch versprechen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
all die Schwierigkeiten und Möglichkeiten, hängen letztlich mit einem großen Thema zusammen: dem Wachstum der Stadt. Jahrelang hieß es, dass das Wachstum der Stadt helfen werde, unter anderem durch höhere Steuereinnahmen. Doch derzeit spüren wir davon noch nichts, da wir z.B. an der Einkommenssteuer erst bis zu 7 Jahre später beteiligt werden.
Was wir gerade vor allem spüren sind Wachstumsschmerzen, die sind enorm und müssen nun durch all unsere Bürger getragen werden- und das obwohl in den „neuen Baugebieten“ noch gar keiner wohnt. Die Stadt wird dichter, es wird immer enger gebaut. Eine effektivere Nutzung der Ressource Boden ist uns Grünen naturgemäß durchaus recht. Aber auch das hat Grenzen. Manchmal frage ich mich schon, wo die Grenzen des Wachstums für unsere Stadt eigentlich liegen. Und ich denke, dass die aktuelle Haushaltslage uns dazu einen Hinweis geben sollte.
Immer mehr Neubaugebiete sind für mich nicht die Heilsbringer. „Denn für neue Bewohnerinnen und Bewohner braucht es immer auch die passende Infrastruktur. Vom Kanalanschluss bis zum Kitaplatz, von der Straßenlaterne bis zur Schuleingangsuntersuchung. Das ist ja genau unser derzeitiges Problem.“
Für uns Grüne ist es auch keine Lösung gegen den anhaltenden Zuzug endlos anzubauen und immer neue Baugebiete auszuweisen. Wir brauchen den Mut hier auch „Halt“ zu sagen, vor allem jetzt, wo wir merken, dass wir uns mehr Bürger kaum mehr leisten können. Offenbach muss lebenswert bleiben, für Zugezogene und für Alteingesessene. Wenn andere wollen, dass wir neue Baugebiete schaffen, dann müssten uns für all die Folgekosten auch Mittel bereitgestellt werden. Das ist ein Punkt, an dem ich Bund und Land in der Pflicht sehe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
lassen Sie mich noch zum eigentlichen Problem bei dieser Grundsteuererhöhung kommen: das Wohnen.
Wir wissen, dass die Mieten deutlich steigen. Am Ende mussten wir uns aber entscheiden, weil wir in der Verantwortung stehen:
Können wir auf Prinzipien beharren und den Haushalt gegen die Wand fahren? Können wir einfach mal sehen was dann passiert? Ob uns irgendwer dann schon die eine oder andere Schule hinstellen wird? Machen wir ein großes Experiment?
Können wir irgendwen verklagen für unsere Misere und hoffen, dass das unser Problem fristgerecht lösen wird? Können wir darauf verzichten mit den geplanten Schulen jetzt sofort loszulegen?
Können wir auf eine lebenswerte Stadt verzichten? Können wir einen Baustopp bei begonnenen Projekten verantworten?
Meine Fraktion und ich haben entschieden, dass zumindest wir das nicht können. Die Opposition mag zu einem anderen Schluss gekommen sein. Denn die Frage ist immer was ist die Alternative und kann man diese verantworten.
Für uns Grünen ist aber auch klar: Bei diesem Hebesatz müssen Projekte gut abgewogen werden, was ist zwingend und was ist notwendig für die Entwicklung der Stadt. Und wir müssen den Hebesatz auch wieder senken sobald es geht. Auch dazu haben Sie sicher den Begleitantrag der Koalition gesehen.
Meine Damen und Herren,
es gibt immer wieder Menschen, die sagen sie ziehen weg, hier ist es ihnen zu laut, zu dreckig, zu teuer oder wer weiß was noch alles. Und es gibt auch immer wieder Unternehmen, die wegziehen oder Pleite gehen. Aber genauso wie seit ein paar Jahren – ganz plötzlich – viele Menschen Offenbach für sich als Wohnort entdeckt haben, gibt es auch Firmen, die Offenbach für sich entdecken. Die Formel ist klar: Die Gewerbesteuer muss sich verbessern, damit die Grundsteuer entsprechend sinken kann. Das ist momentan noch ein Traum, aber ich bin davon überzeugt, dass er Realität werden kann.
In den letzten Jahren hat sich Offenbach sehr positiv entwickelt: Ich denke das ist etwas, was man leicht übersieht, wenn man hier täglich unterwegs ist. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass wir an der dynamischen Entwicklung dranbleiben und weitermachen. Das bedeutet, dass wir jetzt eben nicht auf Teufel komm raus alles einsparen, sondern weiterhin an einer lebenswerten Stadt, mit Schulen und allem was dazugehört, arbeiten.
Meine ursprüngliche Haushaltsrede, die ich noch vergangenen November vor dem Bescheid aus dem Regierungspräsidium geschrieben habe, sollte enden mit einem Blick auf die Chancen und Möglichkeiten, die sich uns trotz allem bieten. Von meiner ersten Rede ist nun nicht viel geblieben – doch die Chancen und Möglichkeiten sehe ich auch weiterhin.
Im Namen der grünen Fraktion bitte ich um Ihre Zustimmung zum Haushalt und den Begleitanträgen der Koalition.
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