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14.11.13 –
"Es gilt das gesprochene Wort"
„Inklusion ist die Kunst des Zusammenlebens sehr verschiedener Menschen…“ (Jörg Stoffregen, Diakon Netzwerk Kirche inklusiv)
Stimmt… war es doch das Ziel meiner Fraktion, diesen Antrag über politische Farbenspiele und Lager hinweg gemeinsam auf den Weg zu bringen.
An dieser Stelle danke ich auch den Oppositionsfraktionen von FDP und LINKEN, die dem Antrag als antragstellende Fraktionen beigetreten sind. Ich hätte mich auch über einen Beitritt der größten Oppositionsfraktion hier im Saal gefreut, aber nun gut: Man sieht wir haben noch einiges zu tun, den Gedanken der Inklusion im täglichen Leben und in der politischen Debatte umzusetzen!
Mal abgesehen von dieser politischen Exklusion, zu der wir immer wieder neigen – wäre an dieser Stelle auch zu fragen:
- Wie inklusiv gestaltet sich diese Stadtverordnetenversammlung?
- Ein Beispiel: Glauben Sie im Ernst, gehörlose Gäste fühlten sich hier eingeladen, die Debatten zu verfolgen? Dabei wäre diese Barriere mit dem Vorhalten eines Gebärdendolmetschers relativ einfach abzubauen.
- Ein weiteres Beispiel: Die Büros des Sozialdezernenten und des für Erziehung zuständigen Bürgermeisters sind nur über den Lastenaufzug, Sie haben richtig gehört, den Lastenaufzug zu erreichen! Ich frage: Ist das Inklusion?
- Oder: Die Stadt hat sich ein neues Netzdesign gegeben… doch wie inklusiv ist das? … nichts dabei in leichter Sprache für Menschen, denen es schwer fällt, Sachverhalte zu verstehen. Kein Gebärdenvideo erklärt das Handling… Inklusion taucht in der Kopfzeile zum Anklicken nicht einmal auf (jedoch findet man bei entsprechender Hartnäckigkeit immerhin die Behindertenbeauftragte und dann auch wichtige Infos)
Eigentlich schade, gibt es in dieser Stadt viele gute inklusive Ansätze im Bereich des Sportes, in Bildung und Erziehung, Wohnen und Nahverkehr. Nur leider sind die Infos nicht barrierefrei zu haben!
Vielleicht wäre das mit einem Aktionsplan nicht passiert oder anders gestaltet worden?
Deshalb möchten wir von Bündnis 90/Die Grünen mit diesem Antrag zu einem kommunalen Aktionsplan für Inklusion einen Weg beschreiben, mit dem es gelingt den sozialen Raum dieser Stadt und ihrer Menschen barrierefrei zu gestalten.
Denn unsere Lebensräume werden durch immer differenziertere Lebenslagen bestimmt. Es gibt nicht DIE Einen oder DIE Anderen - es gibt keinen Standard, es gibt Unterschiede bzw. Individualität von Lebenslagen – und das gilt es wahrzunehmen.
Welche Konsequenzen hat das für den kommunalen Aktionsplan und auch für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Offenbach?
Die gängige Definition von Behinderung geht ja davon aus, dass es sich hierbei um eine dauerhafte medizinische Abweichung von Normalzustand handelt. Aber das ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Ein weiteres Kriterium stellen die sogenannten Umweltfaktoren dar. Und das sind wir wieder bei der Barrierefreiheit der Kommune, ihr örtliches Angebot an Dienstleistungen - letztlich der gesamte soziale Kontext, in dem Menschen gemeinsam leben.
Die Wechselwirkung aus medizinischen Faktoren und Umweltfaktoren bestimmen Art und Ausmaß der tatsächlichen Behinderung… ich erinnere an dieser Stelle gerne noch mal an den Lastenaufzug der behinderten Menschen zur Verfügung steht, um in diesem Haus in das Zwischengeschoss zu kommen… und erlaube mir die Frage: wer hier wohl was als Last ansieht oder angesehen wird?
Das Prinzip der Inklusion ist klar: Verhalten und Strukturen müssen sich den Menschen anpassen und nicht umgekehrt den „Anderen“ passend machen.
Das ist die Grundlage, von der die UN Behindertenrechtskonvention, deren Ratifizierung durch die Bundesrepublik 2008 erfolgte und die im März 2009 in Kraft getreten ist, ausgeht. Das ist gültiges Recht und es ist mehr als eine reine Verpflichtung zur Veränderung von Vorschriften. Ich zitiere aus Artikel 8, der mit „Bewusstseinsbildung“ überschrieben ist: „Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in der gesamten Gesellschaft das Bewusstsein für Menschen mit Behinderung zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern“. Der Auftrag geht nicht nur an die öffentliche Verwaltung, er betrifft uns alle.
In der Erstellung eines kommunalen Aktionsplans geht es darum, unsere Strukturen so zu entwickeln und darzustellen, dass sich jede/r mit Teilhabe und Teilgabe gleichermaßen darin wiederfindet. Es geht um ein solidarisches Miteinander. Grundvoraussetzung dafür ist die gegenseitige Wertschätzung und die Anerkenntnis, das jede/r sich gewinnbringend in die Gemeinschaft einbringt.
Wir sind in einigen Bereichen schon sehr weit. So versetzt uns das Schulbausanierungsprogramm in die Lage bei Sanierungen und Neubauten der Offenbacher Schulen gemäß §46 der hessischen Bauordnung Barrierefreiheit herzustellen. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten werden dort neben der Erreichbarkeit mit Rampen und Aufzügen und den erforderlichen Sanitäreinrichtungen auch entscheidende Verbesserungen in der Raumakustik vorgenommen. Auch das Anbringen von taktilen Zeichen gerät mitunter verstärkt in den Fokus. Inklusionsräume entstehen und die Stadt stellt als Schulträger in Zusammenarbeit mit dem Landeswohlfahrtsverband notwendige Ausstattungen und Hilfsmittel zur Beschulung zur Verfügung. Nur reicht das?
Aus unserer Sicht bietet der Aktionsplan Inklusion die Chance die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung ganzheitlich zu begreifen. Inklusion gehört in den Schulentwicklungsplan! Inklusion gehört in die Gespräche des Magistrats mit dem hessischen Kultusministerium und mit dem Staatlichen Schulamt Offenbach wenn über die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf in Offenbach gesprochen wird. Hier muss Zusammenarbeit organisiert werden und Schulen auch entsprechend ausgestattet und mit Lehrerstunden bedacht werden. Inklusion hört nicht mit den Aufgaben der Kommune im Schulbereich, den baulichen Voraussetzungen auf.
Inklusion gehört in den Masterplan zur Stadtentwicklung!
Inklusion fordert alle Bereiche zur Zusammenarbeit auf! Und da haben wir noch einiges zu tun…
Aber schauen wir auch mal auf andere Bereiche: Artikel 4 Absatz 5 der UN-Behindertenrechtskonvention setzt voraus, dass auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Handelns Aktionspläne zur Umsetzung erstellt werden. Ich freue mich, dass in der letzten Sozialkommission endlich über die längst überfällige Bildung eines Behindertenbeirates der Stadt gesprochen wurde, der die Interessen dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger auch wirksam in die politische Debatte einbringen und vertreten kann. Manchmal dauert es eben, bis Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung auch in die Tat umgesetzt werden… (DS I (A) 159 vom 1.3.2012)
Oder schauen sie sich unsere Beschlüsse zur Wohnungsbörse für barrierefreie Wohnungen oder zur Bestandsquote Barrierefreiheit bei der GBO aus den letzten Jahren an. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die den Ausschluss von Menschen bedingen und die durch geringe Finanzaufwendungen beseitigt werden können. Hier fehlt bislang einzig und allein ein übergeordnetes Konzept, das alle Bereiche umfasst.
Es ist mir deshalb sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass wir das nur gemeinsam schaffen werden. Im Antrag sind die Vertreterinnen und Vertreter einschlägiger Fachverbände und Netzwerke, die kommunale Behindertenbeauftragte sowie die Fachverwaltung genannt. Aber es geht weiter: Wenn wir die Möglichkeiten haben, zu den verschiedenen Themen und Handlungsfeldern Fachveranstaltungen zu organisieren und die Entwicklung des Offenbacher Aktionsplanes unter Beteiligung interessierter Bürgerinnen und Bürger in Bürgerwerkstätten zu befördern, dann haben wir den Gedanken der Teilhabe auch bereits in der Entwicklung unseres Aktionsplanes / unserer Leitlinien verstanden und angewendet.
Ich bin davon überzeugt, dass uns mit diesem interfraktionellen Antrag für einen kommunalen Aktionsplan Inklusion ein offener gesellschaftlicher Dialog in unserer Stadt gelingt mit klaren Zielen, konkreten Handlungsempfehlungen und deren zeitlicher Festschreibung.
Damit klar ist, bis wann welcher Schritt zu erreichen ist und was dann in der nächsten Stufe kommt.
So gelingt es uns, konkret umsetzbare Maßnahmen zu entwickeln und transparent zu halten. Und Mitwirkung, die Einbeziehung von Expertinnen und Experten in eigener Angelegenheit sind der Garant für eine erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans Inklusion. Das müssen, nein, das KÖNNEN wir schaffen!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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