BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Offenbach

Es geht ihnen nicht um Antisemitismus

Rede zum AfD-Antrag "Verurteilung der wiederholten antisemitischen Übergriffe auf den Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Offenbach" und Änderungsantrag des Stadtverordnetenvorstehers von Tobias Dondelinger im Stadtparlament [nicht gehalten] Diese Rede wurde nicht gehalten, weil der Stadtverordnetenvorsteher für das Parlament zum Thema gesprochen und einen überparteilichen Änderungsantrag eingebracht hat.

17.08.18 –

Rede zum AfD-Antrag "Verurteilung der wiederholten antisemitischen Übergriffe auf den Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Offenbach" und Änderungsantrag des Stadtverordnetenvorstehers von Tobias Dondelinger im Stadtparlament

 Diese Rede wurde nicht gehalten, weil der Stadtverordnetenvorsteher für das Parlament zum Thema gesprochen und einen überparteilichen Änderungsantrag eingebracht hat.

 

 

Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren,

dass sich in Offenbach Menschen wegen ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihrem Aussehen unwohl fühlen, das darf nicht sein. Es ist unerträglich, wenn Menschen jüdischen Glaubens sich nicht offen zu ihrer Religion bekennen können, weil sie Repression und Angriffe fürchten.

Es ist unerträglich, wenn Rabbi Gurewitz immer wieder verbalen Übergriffen auf offener Straße ausgesetzt ist. Und wenn es anscheinend sogar wiederholt dieselben jungen Menschen sind, die ihn da beschimpfen und bedrohen, dann ist das eine Katastrophe.

Wir haben als Deutsche eine historische Verantwortung, die wir tragen, weil unsere Väter und Großväter mit dem Holocaust ein historisch einmaliges Verbrechen, einen Zivilisationsbruch begangen haben.

Gerade Mitmenschen jüdischen Glaubens gegenüber sind wir verpflichtet sie zu schützen und ihnen das Bewusstsein zu geben, dass wir solidarisch an ihrer Seite stehen.

Aber auch gegenüber unseren Kindern und allen Menschen, die hierherkommen haben wir die Verantwortung, ihnen diesen dunklen Aspekt deutscher Geschichte bewusst zu machen und zu erklären, damit auch sie diese Verantwortung mittragen und übernehmen können.

Offenbach ist eine weltoffene Stadt und eine Stadt, die stolz ist auf das weitgehend friedliche und sich gegenseitige bereichernde Zusammenleben von Menschen aus der ganzen Welt. Dafür, dass das funktioniert müssen wir jeden Tag aufs Neue arbeiten und damit das immer wieder aufs Neue gelingen kann, dafür ist es essentiell, dass alle die hier Leben den gemeinsamen Grundsatz anerkennen, dass hier kein Mensch aufgrund seiner Herkunft, seiner Religion, seiner Hautfarbe oder seiner sexuellen Orientierung ausgegrenzt, diskriminiert, beleidigt oder bedroht werden darf.

Wir können es in Offenbach noch weniger, als irgendwo sonst brauchen, wenn Menschen aufgrund irgendeiner tatsächlichen oder wahrgenommenen Gruppenzugehörigkeit diskriminiert werden. Es ist wichtig, dass die Offenbacherinnen und Offenbacher zusammenhalten und dass es keine Gruppenbildung und kein Gegeneinander gibt.  

Ein Phänomen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, das sich schon seit Jahrhunderten durch die deutsche Geschichte zieht ist der Antisemitismus. Die Motivlage und die ideengeschichtlichen Hintergründe hierfür sind vielfältig: Ob Anhänger nationalsozialistischer Ideologien, ungute Formen der „Brauchtumspflege“, religiös hergeleitete Ursachen oder eine falsch verstandene Solidarität mit den Menschen in den Palästinensergebieten: All diese Ursachen führen auch bei Menschen in Offenbach zu antisemitischen Haltungen und manchmal auch Handlungen.

Wir dulden das nicht

Wir als Vertreter unserer Stadt haben dazu eine klare Haltung. Wir dulden das nicht und wir setzen uns ein, damit Ideologien und Theorien, die Antisemitismus befeuern nicht weitergegeben werden und der Nährboden des Antisemitismus ausgetrocknet wird. Wir setzen uns ein, damit alle die hier leben sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind, die ihnen zufällt, dadurch, dass sie Teil unsere Gesellschaft sind.

Was wir aber auch nicht dulden, ist die Instrumentalisierung antisemitischer Vorfälle, um andere Personengruppen in Offenbach auszugrenzen.

Ich habe eben gesagt, dass jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu verurteilen ist und ein Risiko für das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt darstellt. Und wenn ein abscheulicher Vorfall wie der Übergriff auf Rabbi Gurewitz ausgenutzt werden soll, um pauschal Stimmung gegen Offenbacher muslimischen Glaubens zu machen, dann ist das ein perfider und ekelhafter Angriff auf unsere Grundwerte und auf das friedliche Zusammenleben unserer Stadt.

Parteipolitische Winkelzüge statt gemeinsamer Haltung

Für uns ist vollkommen klar, dass der Ursprungsantrag diesen Geist atmet. Es wird auf den Ausländerbeirat und die muslimischen Gemeinden verwiesen und damit eine klare Zuordnung getroffen, wo der Antisemitismus herkommt. Das geht, wie ich eben beschrieben habe an der Realität vorbei und ganz ehrlich gesagt, besteht bei mir und vielen anderen der Verdacht, dass es den Antragstellenden hier auch nicht um Antisemitismus geht, sondern um „die Muslime“.

Dass es auch nicht um eine gemeinsame und starke Haltung gegenüber diesem Vorfall ging, sondern nur um parteipolitische Winkelzüge zeigt sich schon im Vorgehen bei der Einbringung des Antrags. Anders, als in solchen Fällen des gemeinsamen Positionsbeziehens üblich, wurde der Antrag nicht als gemeinsamer Antrag über den Stadtverordnetenvorsteher eingebracht, sondern als Alleingang.

Sie wollen nicht, dass wir gemeinsam Position beziehen, weil Ihnen das scheinbare Anliegen Ihres Antrags egal ist.

Nicht glaubwürdig

Sie stehen für eine Partei, deren Vertreter das Holocaust-Mahnmal als Mahnmal der Schande diffamieren, eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad verlangen und die Nazizeit und damit auch den Holocaust als Vogelschiss in der deutschen Geschichte sehen. Wer für diese Meinungen steht, dem glauben wir nicht, dass er oder sie sich ernsthaft Gedanken macht, um das Wohlergehen unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wenn das so wäre, dann würden Sie erstmal in der eigenen Partei dafür sorgen, dass diese Geschichtsrelativierung und dieses schändliche Verdrängen der eigenen Verantwortung aufhört!

Für uns ist das nicht glaubwürdig. Es geht Ihnen eben nicht um Antisemitismus.

Uns geht es aber darum, aus unserer tiefen Verantwortung heraus. Uns geht es aber auch um Islamfeindlichkeit, um Rassismus um Schwulenfeindlichkeit und um all die anderen bösartigen Spielarten des Hasses, die manche mit Hetze und Propaganda in diesem Land wieder salonfähig machen wollen.

Wir stehen aus Verantwortung für unsere Stadt und unsere Bürgerinnen und Bürger für eine tolerante und weltoffene Gesellschaft, in der Spalterei und das Schüren von Ressentiments keinen Platz haben. Unser Antrag unterstreicht das.

 

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