Rede von Regina Umbach Rosenow zum geplanten Verkauf der Nassauischen Heimstätte

Es gilt das gesprochene Wort. Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, ich möchte sie zu Beginn mit einem fast vergessenen Zitat konfrontieren, das Einigen zu provokant erscheinen mag: »Mit einer Wohnung kann man einen Menschen geradeso erschlagen wie mit einer Axt« -          Was hat sich der bekannte Maler Heinrich Zille bei diesen Worten gedacht? -          Warum sollte man mit einer Wohnung einen Menschen erschlagen können, wie mit einer Axt? Gemünzt war seine Aussage  auf die menschenunwürdigen Wohn- und Lebensbedingungen in Berliner Mietskasernen um 1900.  Davon sind wir heute ganz sicher weit entfernt - aber bei dem Thema Wohnen geht es andererseits nicht um irgendetwas.  Unsere Wohnung ist für uns Menschen eine sehr existenzielle Angelegenheit. Sie ist unser Zuhause,  ein zentraler, sicherer und privater Ort, um den herum ein Mensch seine Aktivität organisiert, ein Ort, mit dem er ›verwurzelt‹ und an den er emotional gebunden ist, ein ›Ankerpunkt‹, von dem aus er die Umwelt freier erkunden kann, weil er weiß, dass er jederzeit zurückkehren kann.

22.03.12 –

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

ich möchte sie zu Beginn mit einem fast vergessenen Zitat konfrontieren, das Einigen zu provokant erscheinen mag:

»Mit einer Wohnung kann man einen Menschen geradeso erschlagen wie mit einer Axt«

-          Was hat sich der bekannte Maler Heinrich Zille bei diesen Worten gedacht?

-          Warum sollte man mit einer Wohnung einen Menschen erschlagen können, wie mit einer Axt?

Gemünzt war seine Aussage  auf die menschenunwürdigen Wohn- und Lebensbedingungen in Berliner Mietskasernen um 1900.  Davon sind wir heute ganz sicher weit entfernt - aber bei dem Thema Wohnen geht es andererseits nicht um irgendetwas. 

Unsere Wohnung ist für uns Menschen eine sehr existenzielle Angelegenheit. Sie ist unser Zuhause,  ein zentraler, sicherer und privater Ort, um den herum ein Mensch seine Aktivität organisiert, ein Ort, mit dem er ›verwurzelt‹ und an den er emotional gebunden ist, ein ›Ankerpunkt‹, von dem aus er die Umwelt freier erkunden kann, weil er weiß, dass er jederzeit zurückkehren kann.

Was hat dies mit unserem Fall zu tun?

Ganz einfach: Offenbach ist mit 2800 Wohnungen nach Frankfurt, Kassel und Wiesbaden der viertgrößte Standort der Nassauischen Heimstätte. Die Stadt Offenbach selbst nennt rund 5000 GBO-Wohnungen ihr Eigen.

Pläne zum tausendfachen Verkauf öffentlicher Wohnungen oder von Besitzanteilen daran sind geeignet, viele Familien, die dort Mieter sind, erheblich zu verunsichern.

Schließlich handelt es sich bei den Mietern häufig um einkommensschwächere Mitbürger, die nicht einfach in eine andere Wohnung ziehen können, wenn sich etwas zu ihrem Nachteil verändert (Hinderungsgründe: Kaution, festes Einkommen, keine Vermietung privater Wohnungen an Sozialhilfeempfänger etc.).

Durch einen Verkauf und Eigentümerwechsel werden die Menschen nicht nur verunsichert, meist verändern sich auch ihre Lebensverhältnisse – und zwar zum Schlechteren.

Die Realität zeigt: Ein Verkauf  zieht langfristig einen erheblichen Verlust an bezahlbarem Wohnraum nach sich, zu beobachten ist das beispielsweise in Dresden.

Folge dort: Die Mietpreise steigen bis ans Limit und Sanierungen bleiben aus. Wohnhäuser vergammeln und das hat auch soziale Folgen.
Davor wollen wir GRÜNEN die potentiell betroffenen Menschen schützen.

Im Interesse der Mieterinnen und Mieter bestehen  wir darauf, dass das Land seine Anteile an der Nassauische Heimstätte nicht verkauft.

Die Nassauische Heimstätte ist ein zentrales Instrument der hessischen Wohnungspolitik, vor allem aber auch der kommunalen Entwicklungsplanung und als solche muss sie erhalten werden. Ganz besonders im Ballungsraum braucht die öffentliche Hand weiterhin Wohnungsunternehmen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten.

Die hessischen GRÜNEN sind nach Bekanntwerden der Pläne umgehend aktiv geworden und haben bereits am 31. Januar 2012 einen Antrag (DS 18/5229) gegen den Verkauf von Landesanteilen an der NH  in den hessischen Landtag eingebracht:

Die hessischen GRÜNEN wiesen daraufhin, dass die Nassauische Heimstätte mit über 60.000 Wohnungen in rund 150 hessischen Städten und Gemeinden einen unverzichtbaren Beitrag zur Wohnungspolitik des Landes leistet.

Die öffentliche Hand benötigt nach wie vor Wohnungsunternehmen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten, da wir vor großen Herausforderungen stehen:

Zu nennen ist hier, beispielsweise, 1. der demografische Wandel mit steigendem Anspruch an Barrierefreiheit 2. die allgemein notwendige Modernisierung und 3. die energetische Sanierung.

All dies erfordert umfangreiche Investitionen in die Bestände des sozialen Wohnungsbaus. Da darf man jetzt nicht aussteigen!!!

Nicht zuletzt sind die öffentlichen Wohnungsunternehmen in ihrer Vorbildrolle gefordert, diese Maßnahmen so umzusetzen, dass dabei auch die Belange der einkommensschwächeren Mieterinnen und Mieter beachtet werden.

Die Stadt Offenbach hat in diesem Sinne unter Regierungsverantwortung der GRÜNEN erhebliche Mittel in die Sanierung der 5000 stadteigenen GBO-Wohnungen investiert.

Wir stehen zu unserer  Verantwortung für das Allgemeinwohl und was macht das Land?

Will es nicht gestalten oder kann es nicht?

Lassen sie mich nun auch auf den Änderungsantrag der CDU eingehen.

Nun, die CDU sagt in ihrem Änderungsantrag, es sei eine Übertragung an einen öffentlichen Träger zu fordern oder sogar von Landesseite geplant.

So? War das schon immer so? Oder waren da am Anfang nicht doch jene bekannten unheilbare schwarzgelbe Privatisierungsphantasien? Hat nicht Finanzminister Thomas Schäfer kurz vor Weihnachten 2011 spekuliert, es sei nicht Kernaufgabe des Landes eine Wohnungsbaugesellschaft zu betreiben und öffentlich auf einen Erlös in dreistelliger Millionenhöhe gehofft?

Wie dem auch sei, die Anteile sollten bleiben, wo sie sind. Alles andere macht keinen Sinn: Oder sind die Anteile beim Land nicht bereits in öffentlicher Hand?

Die ABG in Frankfurt mag ja noch Wohnungen übernehmen können aber - mal angenommen es käme dazu – auch Offenbach?

Die Stadt Offenbach ist – und das wissen nicht nur wir GRÜNEN - aus eigener Kraft finanziell nicht in der Lage, die hohen Millionenbeträge aufzuwenden, die für eine Übernahme in städtischen Besitz notwendig wären. Erste Schätzungen bewegen sich um 150 Millionen Euro.

Offenbach könnte einen verschärften Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch nicht mit dem Bau eigener bezahlbarer Wohnungen ausgleichen. Vorgesehen ist laut der hier im Hause verabschiedeten wohnungspolitischer Leitlinien derzeit lediglich den Bau von 30 Sozialwohnungen jährlich.

Mehr kann Offenbach nicht  leisten.

Die Landesregierung ist im bevölkerungsreichen, multikulturellen Ballungsraum Rhein-Main in der Verantwortung bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen.

Wie beziehen klar und eindeutig Stellung gegen die überflüssigen Pläne des Landes.

Sieht es nicht vielmehr so aus als wollte sich das Land erneut auf Kosten der Kommunen sanieren und sozialen Ballast abwerfen?

Ich betone, ihr Änderungsantrag bringt in der Sache nichts, wir plädieren daher für die Ablehnung des vorliegenden Änderungsantrags.

Wir müssen ehrlich sein – oder nicht? Sollte das Land darauf beharren, seine Anteile tatsächlich abzustoßen, weiß in Wirklichkeit niemand, wo dies enden wird.

Ist das Verkaufs- und Verschiebekarussell einmal in Fahrt, kann in Wirklichkeit niemand mehr garantieren, wo die Anteile landen. Erst recht nicht, wie ein solcher Fehler wieder rückgängig gemacht werden kann.

In manchen Kommunen wechselten die ehemals mit öffentlichen Geldern gebauten Wohnungen in wenigen Jahren mehrmals die Besitzer, z.B. in der Niedersächsischen Stadt Oldenburg  5x. Die letzten Stationen waren die amerikanische Investmentgesellschaft FORTRESS, dann PIRELLI (Ja PIRELLI der Reifenbauer) und zuletzt der Rückkauf durch die GEWOBAU in Oldenburg.

Dass am Ende eines Verkaufs von Anteilen keine Privatisierung steht – wer kann dies garantieren? Niemand – besonders nicht die Hessische Landesregierung !

Ihr Wort – liebe Kollegen von der CDU - ist doch keinen Pfifferling wert – siehe Nachtflugverbot!

Die Landesregierung darf sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen – besonders nicht hier in der Integrationsmaschine Offenbach.

Meine Damen und Herren,

verhindern sie mit uns, dass Mieter samt ihrer Familien zum Spielball von verantwortungslosen Hin-und Her-Schiebereien oder sogar von Spekulanten werden.

Bitte stimmen sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

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Aktuelles Fraktion | Kommunale Finanzen und Wirtschaft

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